
Erster Wels aus der Saone in Frankreich
Vitali DalkeShare
Es war nur eine Woche vergangen seit unserem ersten Ausflug an die Saône auf der Suche nach Welsen (Juli 2004). Slawa wollte schon wieder an die Saône, aber ich konnte nicht – ich war zu einem Geburtstag eingeladen...
Ein Anruf mitten in der Nacht: Slawa verkündete freudig, dass er schon einen gefangen hatte, etwa einen Meter lang. Ich war frustriert – Slawa fing Welse, und ich saß hier fest...
Noch ein Anruf: 1,60 Meter lang, rund 25 kg schwer. Ich war komplett am Boden.
Eine Woche später brachen ich, Sergej und Vitali (mein Namensvetter) voller Vorfreude und Hoffnung auf einen erfolgreichen Angeltrip zur Saône auf.
Schon bald waren wir vor Ort. Schnell bauten wir die Friedfischuten für Brassen auf, mischten das Futter und warfen die Futterkörbe in den Fluss. Wir brauchten dringend Köderfische, und es sollte bald dunkel werden. Während Sergej auf Brassen wartete, pumpte Vitali das Schluchoot auf, und ich montierte die Welsruten sowie den Rest der Ausrüstung. Sergej und Vitali waren zum ersten Mal hier. Sergej war ein Anfänger, Vitali nur aus Gesellschaft mitgekommen. Kein Wunder, dass sie nach einer Stunde ohne einen einzigen Biss lautstark schimpften: „Wir sind so weit gefahren, und hier ist nichts los!“
Ich beruhigte sie und erklärte, dass wir beim letzten Mal erst um ein Uhr nachts den ersten Brassen gefangen hatten...
Gerettet hat mich das Klingeln des Glöckchens, gefolgt vom ersten Brassen kurz darauf. Bald fingen wir noch einen und noch einen. Köderfische waren da – Zeit, loszuschippern. Ich beschloss, mich nicht mit Bojen abzumühen, sondern band stattdessen eine Reissleine an die über dem Wasser hängenden Äste am anderen Ufer (eine „Abrissmontage“) – genau dort, wo der Wels oft platschte. Ich erklärte Vitali, wie er die Bremsen lösen usw. sollte.
Und so paddelten Sergej und ich (eher: er paddelte) mit zwei Köderfischen im Eimer und einer Taschenlampe bewaffnet zum anderen Ufer. In der Hand hielt ich die Schlaufe der Schnur, die sich von der am Ufer stehenden Rolle abspulte. Wir fanden den ersten passenden Busch, banden vier Meter dünne Monoschnur daran fest und verknüpften das Ende mit einem Karabiner, der an einem Welsschwimmer hing (eine selbstgebaute Konstruktion). Dann köderten wir den Köderfisch und führten die Schlaufe vom Welsvorfach in den Karabiner unter dem Schwimmer ein. Klingt kompliziert? Versucht das mal in einem auf der Strömung drehenden Boot, im Dunkeln!
Dann bauten wir ein zweites Setup genauso auf. Bald waren wir zurück am Ufer. Ich zog die Bremsen der Rollen (wie ich damals dachte) richtig fest und hängte die Glöckchen auf. Gerade als ich die Brassenruten überprüfen wollte, hörte ich einen lauten Platscher am anderen Ufer und das Klingeln meines Glöckchens. Einen Moment später schlug ich mit aller Kraft an – vergebens. Der Wels hatte sich nicht gehakt, der Schwimmer mit dem Köderfisch riss sich vom Busch los und trieb stromabwärts. Ich wartete fünf Minuten und rollte die Schnur ein. Verdammt, schon wieder rausfahren! Also taten wir’s. Unterdessen bissen die Brassen wie verrückt. Nach etlichen Brassen lehnten wir uns halb liegend ans Ufer und warteten auf die Welse. Die Brassen ruhten. Wir dösten vor uns hin...
Plötzlich ein lautes Klingeln direkt neben uns! Meine Welsrute bog sich zum Zerreißen. Sekunden später griff ich nach ihr und versuchte, sie aus der im Boden stehenden Halterung zu ziehen. Es gelang – und ich spürte eine unglaubliche Kraft am anderen Ende! Ein Ruck, und ich rutschte wie auf Skiern über den Boden. Noch ein bisschen, und ich wäre ins Wasser gestürzt, und ...
Ich hielt die Rute und kurbelte wie wild. Nein, das kann nicht sein ... Der Wels war weg!
Ich hockte mich hin, den Kopf in den Händen. Die Jungs starrten mich schweigend an – sie waren genauso geschockt. Sergej musste wieder paddeln, und ich fummelte mit den Ästen, der dünnen Reissleine und dem Köderfisch herum. Wieder gingen wir an Land, wechselten das Futter und die Köder an unseren Friedfischruten.
Dann ein schrilles Klingeln – diesmal an Sergejs Rute!
Sergej reagierte langsam ... Die Rute schwankte, zuckte – ein starker Ruck, und Sergej schlug aus Leibeskräften an!
„Hab ihn!!!“, brüllte er, fiel auf die Knie und stemmte den Griff der Rute gegen seinen Bauch.
„Vitali, hilf mir, die Ruten einzurollen!“, schrie ich panisch. Ich sah zu Sergej – es fiel ihm schwer, die Welsrute zu halten! Wir hollten alles blitzschnell ein. Unterdessen zog Sergej seinen Gegner schon ruhig und zügig ans Ufer. Ich zog mich bis auf die Unterhose aus und erklärte, mir sei alles egal – ich würde ins Wasser steigen. Das Ufer war steil, etwa 60 cm hoch, und gleich darauf war es 1,50 m tief. Die Lust, freiwillig in der Dunkelheit zu den Welsen zu springen, verflog. Ich leuchtete auf die Schnur – der Wels war nah.
Und dann tauchte er auf – nicht riesig, aber wunderschön! Ich packte das Vorfach, schob meinen Daumen in sein Maul und griff mit den anderen Fingern seinen Unterkiefer. Eine Sekunde später lag er am Ufer...
Ein durchdringender Siegesschrei hallte durch Frankreich! Da war er – unser erster Wels aus der Saône!
1,10 Meter! Hurra!!! Die Freude war unbeschreiblich!

Wir begannen, uns daran zu erinnern, wie alles passiert war, und lachten über mich, wie ich mich zum Tauchen bereitgemacht hatte. Dann kehrte Stille ein – alle waren müde und wollten schlafen. Bald schnarchte Sergej, während ich und mein Namensvetter am schwachen Feuer saßen und über Belanglosigkeiten plauderten. Es begann zu dämmern. Die Welse platschten hier und da unter den Büschen, und über dem Wasser stieg Nebel auf.
Mein Köderfisch wurde unruhig, die Rute vibrierte wie unter Strom. Ich starrte auf den Schwimmer am anderen Ufer und wartete... Plötzlich sah ich meinen Köderfisch in der Luft, einen Salto schlagend, eine riesige Welle mit einem Platscher – und dann das schon schmerzlich vertraute Klingeln... Können Sie sich vorstellen, wie mir zumute war, als ich schon wieder den halbtoten Köderfisch ans Ufer zog? Das war er – der riesige Wels, der mich über den Boden geschleift hatte. Ich war mir sicher...

Wir begannen, zu packen sobald es hell wurde. Als wir den angebundenen Wels herausholten, bemerkte ich Spuren kleiner Zähne an seiner Flanke, etwa 40 Zentimeter breit. Jetzt verstanden wir, warum es Sergej so schwergefallen war, die Rute zu halten – er hatte zwei Welse im Drill gehabt! Ein grosser Wels hat den kleineren gepackt wärend dem Drill. Ja-a-a-a, solche Wunder geschehen beim Angeln! Leb wohl, Saône! Leb wohl, du riesiger Wels – ich weiß jetzt, wo du lebst! Bis bald!
Vitali Dalke, August 2004